Streusiedlung

Im Bersntol ist der Hof der Mittelpunkt der Gemeinschaft

Die Dörfer in den Tälern ähneln sich. Viele eng zusammenstehende Häuser, um einen Platz herum, an einem Flussufer entlang oder unterhalb einer Burg. Bezugspunkte, die Sicherheit vermitteln.  

Im Bersntol ist das anders. Hier gibt es nicht einen Mittelpunkt, sondern viele.

Mòcheni-Tal | Die Mòcheni-Landschaft

Jeder Hof ist ein Dorf

Der Hof (auf Bersntolerisch „Hoff”) entsteht auf einem Stück Ackerland und ist Fundament und Mittelpunkt der Bersntoler Gemeinschaft. Er besteht aus mehreren Gebäuden, wie dem Wohnhaus, der Scheune, dem Stall, dem Keller zum Lagern von Wein und Wurstwaren, dem Casello für die Milchverarbeitung. Neben dem Ackerland gibt es einen Gemüsegarten und eine Weidefläche. 

Er ist autark wie ein kleines Dorf. 

Aber wer sind seine Bewohner?

Attilio Laner di Frassilongo/Garait espone la merce in una stube Sudtirolese, anni '60, sec. XX | © Fondo Laner A. - Istituto Culturale Mocheno

Alle unter einem Dach

Im Bersntol gilt die Regel des Geschlossenen Hofs, wonach nur der älteste Sohn den Hof erbt, nicht. Hier wird der Hof nach dem Tod des Familienoberhauptes unter allen Söhnen aufgeteilt, die mit ihren Familien auf dem Hof leben. 

So kommt es, dass viele unter einem Dach zusammenleben. 

Aber so wird es auch oft knapp mit dem Unterhalt für alle. Aus diesem Grund setzen die Männer nach der Aussaat die Landarbeit aus und ziehen als Krumer, Wanderhändler, durch weite Teile der österreichisch-ungarischen Monarchie.  

Damit es auf dem Hof weniger Münder zu stopfen gibt und gleichzeitig ein Verdienst in Aussicht steht, laden sie sich schwere Holzkisten (Kraks) auf die Schultern und machen sich auf die weitverzweigten Wege, die das Bersntol wie ein Spinnennetz durchziehen. 

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Verstreut, aber vereint

Die Tatsache, dass im Bersntol alle Höfe durch ein Wegenetz miteinander verbunden sind, macht deutlich, dass sie zwar unabhängig sind wie kleine Dörfer, aber nur im Austausch mit der benachbarten Gemeinschaft existieren können. 

Man trifft sich zu Festen, um Hochzeiten zu feiern und Vereinbarungen zu schließen, aber vor allem, um gemeinsam das wertvolle Naturerbe des Bergtals zu verwalten. 

Vom Holzfällen in den Wäldern über die Instandhaltung der Wasserläufe und Wege bis zur Bewirtschaftung der Almweiden: Alles ist gut organisiert nach festen Regeln, die die Bersntoler sich gegeben haben – als gleichberechtigte Gleichgestellte. 

Deshalb gibt es hier keine Plätze oder Burgen. Denn im Zaubertal gibt es keine Könige.

Das Bersntol

Zwischen Mythos und Realität
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Veröffentlicht am 15/12/2025