Der heart

Die Wärme des Bauernhofs

Der Ofen war aus, aber die Stube war warm. Maria merkte es sofort, als sie eintrat: Die Luft biss nicht in den Wangen, die Stille war nicht leer. Es schien, als wäre gerade jemand gegangen. Der Topf stand auf dem Herd, aber es duftete nicht nach Suppe, kein Schöpflöffelgeräusch und keine Stimme war zu hören. Nur diese Wärme, in der Schwebe, wie eine Art Präsenz.

Der Bauernhof ihrer Kindheit war seit Jahren geschlossen. Und doch schien er an diesem Morgen voller Leben zu sein. Er wirkte kleiner, gebückter, aber er stand immer noch. Die geschwärzten Wände, die abgenutzten Bodensteine, die zerkratzte alte Holzbank: alles war so, wie sie es in Erinnerung hatte. Und sie fühlte, dass die Feuerstelle, der heart, lebendig war. Nicht ausgelöscht, nicht vergessen. Lebendig.

Sie näherte sich dem Ofen und dachte an ihre Mutter, ihre Großmutter, an die Frauen, die dort gemeinsam gekocht hatten, mit ihren flinken Händen und ihren Mündern voller Geschichten. Auf dem Tisch, eine niedergebrannte Kerze und ein Notizbuch mit einem Stoffüberzug. Im Innern, auf Mòchenisch geschriebene Rezepte: miasl pet pfifferleng, panada, kròpfen, trisa, lemonpai. Jedes Gericht erzählte ein Stück von der Welt. Ihre Mutter sagte immer, Kochen sei wie Reden: Wenn man die richtigen Worte benutzt, wird einem warm ums Herz.

Ein altes Familienfoto kam ihr in den Sinn: zwei Frauen in der Stube, die eine stehend mit geknoteter Schürze, die andere am Ofen sitzend, die Hände auf dem Schoß. Sie waren die Mutter und die Großmutter. Sie lachten leise, während sie Roggenmehl mit Weizenmehl mischten. Kochen war nicht nur Ernährung. Kochen war Zusammensein. Kochen war Überliefern.

© Thien Günther - Istituto Culturale Mocheno
Donne alla fontana davanti ad alcune abitazioni con il tetto di scandole, Palù del Fersina / 1935-1940 / Archivio fotografico storico Provinciale | © Archivio Fratelli Pedrotti
Valle dei Mocheni, gente, i kromeri Anderle padre e figlio di Palù / Archivio fotografico storico Provinciale | © Archivio Flavio Faganello
© Istituto Culturale Mocheno - Thien Günther
Famiglia Jòckln., Fierozzo/Vlarotz Auserpèrg, anni ’60, sec. XX, Archif BKI, foto Günther Thien | © Istituto Culturale Mocheno - Thien Günther
Attilio Laner di Frassilongo/Garait espone la merce in una stube Sudtirolese, anni '60, sec. XX | © Fondo Laner A. - Istituto Culturale Mocheno

Auf diesem Bauernhof hat jeder Ort einen Namen: s haus, die Küche, in der einfache Gerichte für die täglichen Mahlzeiten zubereitet wurden; der kèlder, der Keller, um Lebensmittel für längere Zeit zu lagern; der gòrtn, der Gemüsegarten, in dem die Großmutter Salate, Zucchini, rote Rüben, Kohl und Bohnen anbaute. Jede Ecke war eine Geste, jeder Gegenstand eine Geschichte. Und das Feuer war das Symbol der Verbundenheit zwischen den Menschen.

Draußen hörte es auf zu schneien. Und drinnen, an der Wand, zwischen den Schatten, bewegte sich etwas. Vielleicht war es nur ein Reflex. Oder vielleicht auch nicht.

Maria drehte sich nicht um. Sie rührte sich nicht vom Platz, die Hände auf die Knie gestützt und ihr Herz schlug zum ersten Mal seit Jahren wieder im Rhythmus des Feuers.


Im Mòchenischen bedeutet der heart, dessen Wurzel dem deutschen Wort "Herz" und dem englischen "heart" so ähnlich ist, "der herd", aber es ist nicht nur ein Wort. Es ist das Herz des Hauses, der Punkt, von dem alles ausgeht und zu dem alles zurückkehrt. In der mòchenischen Kultur dient das Feuer nicht nur der Wärme: Es hält die Familie zusammen, es bewahrt die Stimmen derer, die nicht mehr am Leben sind, und es beleuchtet die Sprache, die in den Mauern des Gehöfts weiterlebt. Jedes Mal, wenn jemand der Heart ausspricht, wird dieses alte Bündnis zwischen den Menschen und ihrem Land wiederbelebt. Es ist ein Wort, das von Wärme, Präsenz und Zugehörigkeit spricht. Es erzählt von einer Art, Gemeinschaft zu sein: einfach, konkret, tiefgründig. Denn im Herzen des Hofs, wie auch in der Sprache der Mòcheni erlischt das Feuer nie - es brennt sanft weiter, unter der Asche, und hält die Erinnerung an das, was wir sind, lebendig.

Valle dei Mòcheni

Zwischen Mythos und Realität
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Veröffentlicht am 17/11/2025