Land der Dreisprachigkeit

Ein lebendiges Laboratorium für Minderheiten und Weltoffenheit

Nicht alles, was man in einem Gebiet sucht, ist auf den ersten Blick sichtbar. Die Berge, Wälder, Seen und Burgen des Trentino beeindrucken sofort, doch um über das Panorama hinauszugehen und sich der Geschichte, den Traditionen und der lokalen Lebensweise anzunähern, muss man eine Brücke bauen, eine tiefere Verbindung herstellen. 

Kein Museumsstück

Im Trentino leben seit Jahrhunderten Menschen verschiedener Sprachen und Kulturen zusammen. Im Valle dei Mòcheni ist dies besonders deutlich zu spüren: Die Mòcheni-Gemeinschaft bewahrt eine Sprache, die vollständig in das heutige Leben integriert und lebendig ist.  

In den letzten Jahrzehnten wurden eine kodifizierte Grammatik, ein Wörterbuch sowie neue Neologismen entwickelt, die die Verwendung dieser Sprache in modernen Kontexten ermöglichen. Die Standardisierung ist ein heikler Prozess: Sie beseitigt die Vielfalt nicht, sondern beschreibt und bewahrt sie. Das Ziel besteht darin, ein Modell zu entwickeln, das die natürliche Vielfalt der Sprache, familiäre Varianten, lokale Besonderheiten sowie historische Einflüsse durch den Kontakt mit Deutsch und Italienisch abbildet.

Filzerhof

Die lexikographische Arbeit von Barbara Laner bringt zahlreiche Nuancen zum Vorschein: Begriffe wie hozen (heute „zähmen“/„domestizieren“, früher jedoch „stillen“) oder das nur schwer übersetzbare Kosewort spazl, das in familiären Zusammenhängen verwendet wird, zeugen von einer tiefen kulturellen Welt.

Die Minderheitensprachen sind eine lebendige Ressource. Ihr Schutz ist ein gemeinsamer Wert, von dem wir alle profitieren. Sie zu kennen ist ein Recht und eine Aufgabe auch für die Mehrheitsgesellschaft, denn ohne die Minderheiten wäre das Trentino ärmer und zu gleichförmig – es fehlten diese Schichten, die es einzigartig machen.

Das Valle dei Mòcheni, Land der Dreisprachigkeit

Drei Sprachen, ein einziger Atemzug

In der mehrsprachigen Schule von Fierozzo (Vlarotz) koexistieren Mochenisch, Italienisch, Deutsch und Englisch in einem Umfeld, in dem die Sprachen nicht nur nebeneinander existieren, sondern miteinander verwoben sind.  

Die lokale Sprache wird so zu einer Brücke nach außen, zu einem Mittel, um jenseits der Alpen zu kommunizieren und sich in der Tiroler, Südtiroler oder bayerischen Welt zurechtzufinden, da viele junge Mòcheni diese Ziele für Studium oder Arbeit wählen. Die Förderung der Zweisprachigkeit Mochenisch–Italienisch, ergänzt durch Deutsch- und Englischkenntnisse, bedeutet, echte Werkzeuge bereitzustellen, um sich in einer komplexen und vernetzten Welt zurechtzufinden.

Sprachen tragen Geschichten, Ideen und Sensibilitäten in sich. Dies anzuerkennen ist von grundlegender Bedeutung, damit das Mochenische – wie jede Minderheitensprache – lebendig und vital bleibt und ein fester Bestandteil der heutigen Gesellschaft ist. Und auch der zukünftigen.

Das Bersntol

Zwischen Mythos und Realität
WEITER ZUM ABSCHNITT
Veröffentlicht am 11/12/2025