Eine Burg erzählt

Verträumtes Flair und die Legende eines unglücklichen Liebespaars im Castel Nanno

Castel Nanno ist eine recht kleine Burganlage, die fast so niedlich anmutet wie ihr Name. Dank ihrer erhabenen Lage in den Hügeln des Val di Non genießt sie einen weiten Blick, der vom nahe gelegenen Castel Valer bis zum Castel Thun in der Ferne reicht, während sich auf der Rückseite die Berge um das Val di Tovel auftun. Drei sich gegenüberliegende Burgen, drei Adelsfamilien: die Familien D'Enno (später Madruzzo) auf Castel Nanno, Spaur auf Castel Valer und Thun auf der gleichnamigen Burg.

Ein Besuch von Castel Nanno lohnt sich vor allem im Frühling und Herbst, wenn seine herrliche Aussichtslage auf einem schönen, sonnigen Hochplateau und die landschaftlich reizvolle Umgebung besonders gut zur Geltung kommen: die Apfelfelder rundherum tragen im Frühling duftende weiße Blüten, und im Herbst aromatische, goldene Äpfel.

Castel Nanno, die kleine Renaissance-Burg im Val di Non

Eine kleine Festung im Renaissancestil

Hinter dem hölzernen Eingangsportal tut sich ein in seiner Schlichtheit romantischer, fast verträumter Wiesen-Garten mit Apfelbäumen und vereinzelten Rosensträuchern auf. Im 16. Jahrhundert veranstalteten die Madruzzos hier sommerliche Feste und Bälle für den Adel.

Die Kutschen und Pferde gelangten über eine von Bäumen gesäumte Allee in den Garten und bis in die Burg, wo die Pferde in den Stallungen untergebracht wurden. Eine elegante Steintreppe führte zum großen Festsaal im ersten Stock hinauf.

Val di Non - Ville d'Anaunia - Castel Nanno

Das gesamte Gebäude ist im Renaissancestil gehalten, selbst die Wanddekorationen, die zwar aus dem 19. Jh. stammen, aber eine Nachahmung jener sind, mit denen Marcello Fogolino im 16. Jh. den Palazzo Assessorile in Cles ausgeschmückt hatte.

Alles in allem mutet die Anlage mit ihrem zentralen, quadratischen Gebäude und einer niedrigen Umfassungsmauer eher wie ein Schlösschen im Flachland an. An den Mauerecken befinden sich vier viereckige Türme von geringer Höhe. Es handelt sich vielmehr um eine befestigte Landvilla, die nicht viel gemeinsam hat mit einer düsteren, wehrhaften Trutzburg.

Castel Nanno, die kleine Renaissance-Burg im Val di Non

Garten der Genüsse

Castel Nanno und sein deliziöser Garten inspirieren zu Genuss, Musik und Geselligkeit. Auch heute noch werden im Frühling und Sommer Picknicks auf der Wiese und im Herbst fröhliche Kastanienfeste organisiert.

Man kann die Burg auf eigene Faust mit einem Audioguide besichtigen, oder an einer im Rahmen von Veranstaltungen angebotenen Führung teilnehmen.

Die Burg hat viel zu erzählen.

Besonders sehenswert sind der große Kamin in der Küche, der Treppenaufgang und die Wendeltreppe für das Dienstpersonal, der Festsaal und die aus Holz gestalteten Zimmer.

Schon lange sind Möbel, Gemälde und Einrichtungsgegenstände mehr vorhanden. Auch weil die Burg eine turbolente Geschichte hinter sich hat. So diente sie z. B. sowohl im 1. als auch im 2. Weltkrieg als Soldaten-Quartier, was noch sichtbare Spuren hinterlassen hat: das beschnittene Steinportal (damit Autos durchpassen), zerbrochene Treppenstufen, Kalkflecken an den Wänden.

Castel Nanno, die kleine Renaissance-Burg im Val di Non

Melisenda und Ludovico

Von anderen Geschichten dagegen gibt es keine sichtbaren Spuren...

...aber vielleicht hörbare: jemand will in den Nächten vom 2. auf den 3. Mai von der Burg kommende Klagerufe vernommen haben. Vielleicht war es der Wind, der durch die Fenster und die Zimmer pfiff, oder... es waren die klagenden Geister von Melisenda und Ludovico.

Melisenda war die Tochter des Burgherrn, die sich – wie bei Romeo und Julia – in den „falschen“ jungen Mann verliebte, nämlich den Sohn der Grafen Spaur von Castel Valer, das unweit von Castel Nanno gelegen ist. Sie lernten sich auf einem Ball in Castel Belvesino, dem heutigen Castel Thun, kennen, und waren augenblicklich ineinander verliebt. Eine verbotene Liebe, da die Familien verfeindet waren. Als Melisendas Vater dahinterkam, wurden beide nach Castel Nanno gebracht und einem grausamen Tod überlassen: sie wurden in die Verliese am Burgeingang geworfen und lebendig eingemauert.

Kein Wunder, dass ihre Jammerrufe noch heute zu hören sind.

Castel Nanno, die kleine Renaissance-Burg im Val di Non

Und zwar Anfang Mai, zum Zeitpunkt des alten heidnischen Fests Calendimaggio, das genau in die Mitte zwischen der Tagundnachtgleiche im Frühling und der Sommersonnenwende fällt: wenn der Frühling buchstäblich in voller Blüte steht, und die Rosen ebenso erblühen wie die Liebe zwischen jungen Leuten. Liebesgeschichten passen also gut zu dieser Jahreszeit.

Die Maitage des Calendimaggio sind zudem von Bedeutung für die Hexen, und auch hierzu gibt es ein Kapitel in der Geschichte von Castel Nanno. Hier fand nämlich ein Teil des Hexenprozesses des Val di Non statt, dessen Zentrum allerdings der Palazzo Nero in Coredo war.

 

Wenn Sie mehr über dieses interessante Thema erfahren möchten, lesen Sie hier: Il processo alle streghe di Coredo (Der Hexenprozess von Coredo).

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Veröffentlicht am 22/08/2025