Auf zur Eroberung!

Castel Beseno Tor um Tor erobern

Das feindliche Heer lagert seit Monaten unterhalb der Burgmauern. In der Burg sind die Belagerten am Ende ihrer Kräfte. Das Wasser in der Zisterne geht zur Neige, und es ist nur noch ganz wenig Korn übrig. Da hat der Burgherr von Castel Beseno eine Idee: er füttert der einzigen überlebenden Kuh das Korn und katapultiert sie ins feindliche Lager. Dann heißt es abwarten. Und siehe da: am nächsten Morgen sind die Belagerer weg.

Die Kuh mit dem gut gefüllten Bauch hatte den feindlichen Befehlshaber annehmen lassen, dass es in der Burg noch genügend Vorräte gab, um Monate, vielleicht sogar Jahre auszuharren. Resigniert hatte er die Zelte abgebrochen.

Auch wenn es nur eine Legende ist, aber sie sagt viel aus über den Ruf von Castel Beseno als uneinnehmbare Festung. Schauen wir, warum.

Castel Beseno | © APT Rovereto Vallagarina Monte Baldo

Von den Mauern

Stell dir vor, du bist ein Kommandant mit der Absicht, die Burg zu stürmen. Nach einem langen Aufstieg am Berg stehst du endlich vor ihren Mauern. Genauer gesagt vor drei Ringmauern und drei mächtigen Bollwerken mit Schießscharten, aus denen Kanonenrohre ragen, die bedrohlich auf dich und deine Männer gerichtet sind.

Einen Eindruck davon, wie sich dagegen ein Soldat der Burg gefühlt haben muss, gewinnt man noch heute bei einem Rundgang entlang der langen Burgmauer, von der sich ein weiter Blick über die Flusstäler der Etsch und des Rio Cavallo (Rosspach auf Zimbrisch) bietet. Hier oben hat man den perfekten Überblick über das Schlachtfeld, und verfügt über Stellungen, um den Feinden, die sich zu nähern wagen, Pfeile, Steine, Geschosse und kochende Flüssigkeiten entgegenzuschleudern.

Castel Beseno, die unbezwingbare Festung im Trentino

Durch sieben Tore musst du gehen

Dein Ansturm auf die Burg geht weiter. Sagen wir du bist unbeschadet durch das Kanonenfeuer und die von den Mauern hagelnden Pfeile und Steine gekommen, und stehst nun vor dem ersten von sieben Toren, die es zu überwinden gilt.

Schon am äußersten Tor hättest du es mit der ersten Verteidigung aufnehmen müssen. Heute dient der ehemalige Wachraum als Eintrittskasse, wo es noch immer den alten Kamin gibt, an dem sich die Soldaten früher wärmten.

Nach diesem vom ersten Wachposten verteidigten Tor gab es ein zweites zu überwinden, bevor du an das so genannte „dunkle Tor“ gekommen wärst. Es wurde nach den Prinzipien gebaut, die Leonardo da Vinci in einer seiner Abhandlungen darlegt hatte, und ist der Zugang zu einem schwach erleuchteten, ansteigenden Tunnel, in dem man aufgrund einer Biegung keinen Ausgang erkennen kann.

Um aus dem Tunnel zu kommen, gibt es noch zwei weitere Tore mit eisernen Fallgittern zu überwinden. Bei deinen Versuchen, sie aufzubrechen, wärst du von den Mauern und Schießscharten aus unaufhörlich angegriffen worden. Im Dunkeln und unter feindlichem Beschuss. Ein Albtraum.

Und zu allem Übel steht auch am letzten Tor ein weiterer Wachposten, wo frische Abwehrkräfte für den Nahkampf bereitstehen. Noch heute sichtbar an der Mauer gegenüber dem Wachhäuschen ist eine in den Stein geritzte Spielkarte für das Mühlespiel, die in Friedenszeiten der einzige Zeitvertreib für die Soldaten war.

Castel Beseno, die unbezwingbare Festung im Trentino

Auf in den Kampf!

Vielleicht hast du gedacht, dass du nach diesem furchtbaren Tunnel endlich mitten in der Burg bist, aber weit gefehlt! Es warten noch Tor Nummer fünf, sechs und sieben auf dich, die du passieren musst, bevor du den gräflichen Palast erreichst, der vom 15. bis ins 20. Jahrhundert die Residenz der Grafen Trapp war.

Und das ist noch nicht alles: zwischen einem Mauerring und dem nächsten (in Castel Beseno gibt es drei davon) hättest du dich wehren müssen gegen die Soldaten, die dir mit Schwert und Keule bewaffnet in den Weg traten. Ihr Kampffeld war die Lizza, der Zwischenraum zwischen zwei Mauern, in dem man Feinde, die die erste Verteidigungslinie überwunden hatten, gut in die Enge treiben konnte.

Kein Wunder also, wenn nur wenige lebendig ins Innere von Castel Beseno gelangten!

Castel Beseno, die unbezwingbare Festung im Trentino

Eine autarke Burganlage

Die einzige Möglichkeit, diese Festung einzunehmen, bestand also darin, sie auszuhungern, und darauf zu hoffen, dass eine vielleicht monatelange Belagerung die Bewohner zwingen würde, aus Erschöpfung aufzugeben.

Castel Beseno war jedoch auch darauf vorbereitet. Es gab nicht nur große Öfen zum Brotbacken und kühle Keller zur Lagerung von Wein und Lebensmitteln, sondern auch einen Brunnen mit einer tiefen Zisterne als Regenwasserreservoir, das im Falle einer Belagerung die Wasserversorgung gewährleistete.

Bei ausreichendem Regen hätte die Burg monatelang ausharren können, während die Feinde von den Mauern aus durch Beschuss dezimiert wurden, oder vielleicht befreundete Heere zur Hilfe kamen.

Castel Beseno, die unbezwingbare Festung im Trentino

Ehre den Besiegten

Letzteres geschah in der berühmten Schlacht von Calliano (1487), einem herausragenden Ereignis in der Geschichte der Burg.

Die Armee der Republik Venedig unter der Führung des Feldherrn Roberto Sanseverino d'Aragona hatte zunächst die Stadt Rovereto erobert, und marschierte nun gegen Norden, um auch Trento einzunehmen. Die einzigen Bollwerke, die als Hindernisse im Weg standen, waren Castel Pietra und Castel Beseno.

Sanseverino ließ seine Männer eine Pontonbrücke aus Booten über die Etsch bauen, um den Fluss zu überqueren und Castel Beseno mit seinem großen, gut gerüsteten Heer anzugreifen und zu belagern. Von der Burg wurde sofort ein Signal abgesandt, um den Kommandanten der in Trento stationierten Tiroler Truppen zu informieren und um Hilfe zu bitten.

Die Tiroler waren den Venezianern zwar zahlenmäßig unterlegen, aber dafür mit Feuerwaffen ausgestattet, was damals eine gewaltige Neuheit war. Als sie sich dem Schlachtfeld näherten, lösten der Lärm und Qualm der Schüsse und das Feuer der Arkebusen Panik in der venezianischen Armee aus, die sich eiligst davonmachte.

Viele flohen über die Brücke aus Booten, bis diese nicht mehr standhielt. Hunderte von Soldaten ertranken. Mit einer Handvoll Getreuer blieb Feldherr Roberto Sanseverino d'Aragona am Ufer zurück und kämpfte bis zum Tod.

Die Trentiner ehrten seine Tapferkeit und bestatteten ihn im Dom von Trento. Der für ihn errichtete, große Gedenkstein zeigt den Feldherrn mit unverhülltem Gesicht und der gesenkten Flagge der Republik Venedig. Der Grabstein ist aus rotem Trentiner Marmor gefertigt, einem wertvollen Material, das den Denkmälern berühmter Persönlichkeiten vorbehalten war.

Bei einem Besuch auf Castel Beseno kann man noch heute den der Schlacht von Calliano und diesem Befehlshaber gewidmeten Saal besichtigen. Er erinnert an die Stärke dieser uneinnehmbaren Burg, die nicht einmal der tapferste Befehlshaber erobern konnte.

Castel Beseno, die unbezwingbare Festung im Trentino

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Veröffentlicht am 22/08/2025