Fresken, die Geschichte(n) erzählen

Unterwegs zu den Kirchen des Val di Cembra, zwischen Hügeln und Weinbergen

Es gibt Mauern und Wände, die bei aufmerksamer Betrachtung zu sprechen scheinen. Die Geschichten erzählen, und auch verständlich sind, wenn man nicht lesen kann. Sie liefern eine ergänzende Erläuterung zu den Worten der Priester, und sind hilfreich, um ihre Lehren zu veranschaulichen und wirkungsvoller zu machen.

Als Armenbibel (Biblia pauperum) bezeichnet man eine Reihe von Bildern, die von der Bibel oder dem Evangelium inspiriert sind. Sie sind lesbar wie eine Bildgeschichte – ein frühzeitlicher Comic, der sich vor allem an ein Publikum aus Analphabeten wendet. Oft handelt es sich um Drucke, manchmal aber auch um Malereien an Kirchenwänden.

Ein schönes Beispiel ist in der Kirche San Pietro in Cembra zu bewundern. Hier beginnt unsere kleine Reise zu den Kirchen des Val di Cembra, wo die Spiritualität inmitten von Weinbergen und grünen Hängen zum Ausdruck kommt.

Religiöser Tourismus im Trentino: zu den Kirchen des Val di Cembra

Kirche San Pietro, Cembra

Sobald man durch das Kirchentor eintritt, sieht man an der linken Wand eine elegante Darstellung des Jüngsten Gerichts. Es ist ein Werk aus dem 18. Jahrhundert von Valentino Rovisi, einem Künstler aus der Schule von Tiepolo.

An der gegenüberliegenden Wand befinden sich Bilder in einem ganz anderen Stil, die mindestens zweihundert Jahre früher entstanden sind. Nacheinander „gelesen“ erzählen die Geschichten aus dem Leben Jesu.

Diese detailreichen und farbenprächtigen Fresken sind ein Paradebeispiel für eine mittelalterliche Armenbibel. Die bestimmte symbolische Bedeutung, die sich hinter jeder Einzelheit auf den Bildern verbirgt, ist uns heute wahrscheinlich kaum geläufig, wurde aber von den Gläubigen der damaligen Zeit klar erkannt und geteilt. Eine gemeinschaftliche Sprache, die von Erlösung und Rettung spricht.

Bevor man die Kirche verlässt, lohnt sich ein Blick nach oben, um die mit Naturmotiven auf weißem Untergrund geschmückte Gewölbedecke zu betrachten. Zumal es eine Art Leitmotiv ist, das diese Kirche mit der nächsten verbindet.

Religiöser Tourismus im Trentino: zu den Kirchen des Val di Cembra

Chiesa dell’Immacolata, Segonzano

Die Kreuzgewölbe dieser Kirche sind bemalt mit floralen Motiven auf weißem Grund im Wechsel mit den Symbolen der Evangelisten. Der Stil der Künstler, die in der Kirche San Pietro in Cembra am Werk waren, ist unverkennbar. In dieser Gegend des Trentino war nämlich im 16. Jahrhundert eine Künstlerwerkstatt aus dem Friaul tätig, die ihre Spuren hinterlassen hat.

Das Glanzstück der Chiesa dell’Immacolata im Ortsteil Piazzo ist jedoch die Holzstatue der Madonna dell’Uva: die Muttergottes der Weintrauben wird von den Gläubigen zum Schutz der Ernte angerufen.

Der Ursprung ihrer Verehrung liegt darin, dass vor langer Zeit das Tal von einem schrecklichen Unwetter betroffen war, bei dem ein Schneefall schließlich die Ernte vernichtete. Seit diesem Unglückstag und bis ins späte 19. Jahrhundert trugen die Bewohner der Gegend bei drohenden Naturkatastrophen die Madonnenstatue in einer Prozession, um ihren Schutz zu erbitten.

1796 wandte man sich ebenfalls an die Madonna, als sich napoleonische und österreichisch-tirolerische Truppen unterhalb der Burg Segonzano eine historische Schlacht lieferten. Das Ex-voto-Gemälde, das die Bewohner des Val di Cembra im Anschluss anfertigen ließen, um an das Ereignis zu erinnern, ist auch in der Kirche zu sehen.

Religiöser Tourismus im Trentino: zu den Kirchen des Val di Cembra

Santuario della Madonna dell’Aiuto, Segonzano

Nach der wunderkräftigen Statue in der Chiesa dell’Immacolata trifft man hier auf ein Gemälde, das ebenfalls eine besondere Aura besitzt. Das Gnadenbild der Madonna dell’Aiuto ist eine Kopie der in Innsbruck befindlichen Mariahilf von Lucas Cranach.

1682/83 vom Baron Francesco Ferdinando a Prato in Auftrag gegeben und nach Segonzano gebracht, wurde das innerhalb der Wallfahrtskirche befindliche Maria-Hilf-Bild schon bald zum Ziel von Gläubigen und Pilgern.

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Kirche San Leonardo, Lisignago

Unsere kleine Rundfahrt zu den Kirchen des Val di Cembra beschließt sich an diesem Bergkirchlein, dessen seitliche Innenwände mit wertvollen Fresken aus späten 15. Jahrhundert bemalt sind. Das letzte Abendmahl an der rechten Wand enthält ein bemerkenswertes Detail.

Alle Apostel sitzen auf der gleichen Tischseite, außer Judas Iskariot. In dessen offenen Mund scheint ein dunkles, schwer zu definierendes Etwas zu kriechen: es ist der Satan, der in den schon zum Verrat bereiten Judas schlüpft.

Religiöser Tourismus im Trentino: zu den Kirchen des Val di Cembra

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Veröffentlicht am 22/07/2025