Die Ausstellung „Il Teatro del quotidiano“

Die Gemälde von Giacomo Francesco Cipper im Castello del Buonconsiglio

Bei einem Besuch der Ausstellung von Giacomo Francesco Cipper im Castello del Buonconsiglio in Trento fühlt man sich ins Mailand des frühen 18. Jahrhunderts zurückversetzt. Man glaubt das Stimmengewirr auf einem Volksmarkt oder das Geschrei in einer Taverne zu hören, oder an einem gedeckten Tisch zu sitzen, wo das Mahl von Drehleier-Musik begleitet wird. Man schaut sich nicht einfach nur Gemälde an, sondern begegnet Menschen: gemalt, zweidimensional – aber überzeugend echt.

Bis zum 14. September 2025 ist im Schloss die Ausstellung „Il teatro del quotidiano“ (Das Theater des Alltags) zu sehen, die Giacomo Francesco Cipper – bekannt als „Il Todeschini“ – und seinen Werken gewidmet ist. Der Maler war um die Jahrhundertwende 17./18. Jh. hauptsächlich in Mailand tätig.

Die groß- und extragroßformatigen Werke von Cipper treten im Castello del Buonconsiglio zudem in den Dialog mit Gemälden anderer lombardischer Maler der damaligen Zeit, wie Felice Boselli, Giacomo Ceruti und Il Maestro della Tela Jeans. Ergänzend dazu werden passende Ausstellungsstücke wie Schwerter, Musikinstrumente und Opferbüchsen gezeigt, die die Besuchenden in die Atmosphäre des frühen 18. Jahrhunderts eintauchen lassen.


TITELBILD: Giacomo Francesco Cipper, Filatrice, Museo Nacional del Prado, Madrid
BILD UNTEN: Giacomo Francesco Cipper, Colazione di pitocchi con vecchio suonatore di gironda, Pinacoteca Tosio Martinengo, Brescia

Todeschini-Ausstellung im Castello del Buonconsiglio in Trento

Eine Ausstellung über den Maler der Wahrheit

Die von Maria Silvia Proni und Denis Ton kuratierte Ausstellung rückt Francesco Cippers Fähigkeit, die Realität seiner Zeit darzustellen, in den Vordergrund. Seine realitätsnahe Herangehensweise ist fast die eines „Dokumentalisten“.

Der Künstler schafft keine Porträts von Aristokraten oder hohen Prälaten, und stellt keine sakralen Figuren dar, sondern erzählt das Leben der untersten Gesellschaftsschicht, den einfachen Menschen, die im frühen 18. Jh. auf den Straßen und in den Tavernen der Lombardei anzutreffen waren – die so genannten „Pitocchi“. Aus seinen Bildern spricht jedoch kein Bedauern oder Mitleid, sondern man hat den Eindruck, dass der Maler mit ihnen am Tisch sitzt und die Betrachtenden einlädt, ihnen Gesellschaft zu leisten.

Diese Wirkung wird noch verstärkt, da sich die von Todeschini dargestellten Personen dem Betrachter mit einem heiteren, leicht spöttischen Ausdruck zuwenden, so dass man tatsächlich das Gefühl bekommt, Teil des Bildes zu werden.

Das Gemälde Pranzo con flautista (Mittagessen mit Flötist) (um 1720) z.B. zeigt eine in Lumpen gekleidete kleine Bettlerin, die nicht auf den Tisch schaut, sondern einen Blickwechsel eingeht mit dem Betrachter, der Jahrhunderte später sein Gesicht betrachtet.

 

BILD UNTEN: Giacomo Francesco Cipper, Pranzo con flautista, Galerie Canesso, Milano

Todeschini-Ausstellung im Castello del Buonconsiglio in Trento

Todeschinis Liebe zum Detail

Was Cippers Gemälde zu wahren Dokumentarbildern und Zeitzeugnissen macht, ist seine an Besessenheit grenzende Liebe zum Detail, bei der nichts dem Zufall überlassen wird.

Ein Beispiel dafür ist das Werk La carità (Das Almosen) (1715), in dem eine junge Frau, die mit einem Kind um Almosen bittet, ein Papier zeigt. Tatsächlich brauchte man damals einen „Bettelschein“ – ein Detail, mit dem der Künstler einen Einblick in die damalige Realität gewährt.

In anderen Fällen stellen uns einige Details vor Fragen, auf die wir keine Antworten wissen. Auf dem Gemälde Un muratore e un ciabattino (Ein Maurer und ein Schuster) ist ein Mann mit einer Maurerkelle zu sehen. Wenn man jedoch genauer hinschaut, fällt auf, dass seine Kleidung nicht wie die eines Arbeiters aussieht, und dass er an der Flanke einen kleinen Degen mit einer abgebrochenen Parierstange hält. Wer ist dieser Mann? Ein verarmter Adliger? Ein desertierter Soldat, der sich als Arbeiter ausgibt, um der Gefangennahme zu entgehen? Wir werden es nie erfahren.

 

BILD UNTEN:  Giacomo Francesco Cipper, Un muratore e un ciabattino, Musée des Beaux-Arts, Orléans

Todeschini-Ausstellung im Castello del Buonconsiglio in Trento

Der Maler der Musik

Typisch für Cippers Bilder ist ein weiteres Merkmal, das die Zweidimensionalität zu sprengen scheint, nämlich die fast allgegenwärtige Musik. Egal ob eine ländliche Tafel oder eine Szene in der Taverne dargestellt wird, immer spielt jemand ein zeitgenössisches Instrument, wie eine Drehleier, eine Zither oder eine Laute.

Beim Betrachten von Werken wie Giovane coppia di contadini con musici (Junges Bauernpaar mit Musikanten) glaubt man fast, den Klang der Musik zu hören, die die Worte, die Ausrufe und das Lachen untermalt.

Und wenn man die Burganlage nach dem Ausstellungsbesuch verlässt, muss man sich erst wieder an die Geräusche einer Stadt des 21. Jahrhunderts gewöhnen.

 

BILD UNTEN: Giacomo Francesco Cipper, Giovane coppia di contadini con musici, Szépművészeti Múzeum, Budapest

Todeschini-Ausstellung im Castello del Buonconsiglio in Trento
Die Ausstellung im Castello del Buonconsiglio

Die Ausstellung im Castello del Buonconsiglio

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Veröffentlicht am 29/04/2025